Massenanfall von Verletzten - MANV

Großschadensereignis unterhalb der Katastrophenschwelle mit einer hohen Anzahl von Verletzten oder Erkrankten

Ein Massenanfall von Verletzten und Erkrankten kann sich jederzeit an jedem Ort ereignen. Zu Beginn eines größeren Schadensereignisses stehen der hohen Anzahl von Verletzten eine verhältnismäßig geringe Anzahl von rettungsdienstlichen Einsatzkräften gegenüber.

Da sich ein Missverhältnis zwischen der verfügbaren Behandlungs- und Transportkapazität und der Anzahl der Patienten ergibt, ist eine Abkehr von den alltäglichen Strukturen der individuellen Notfallmedizin notwendig, um möglichst vielen Verletzten und Erkrankten eine angemessene Behandlung zukommen zu lassen.

Einsatzleitung Rettungsdienst

Einsatzleitung Rettungsdienst

Den Einsatzabschnitt der medizinischen Versorgung führt die „Einsatzleitung Rettungsdienst“, bestehend aus einem Leitenden Notarzt (LNA) und einem Organisatorischen Leiter Rettungsdienst (OrgL).

Dem Leitenden Notarzt fällt dabei die Aufgabe zu, die Verletzten zu triagieren, d.h. Verletzungsschwere und -umfang festzustellen und die Versorgung nach Dringlichkeit zu ordnen. Der Organisatorische Leiter Rettungsdienst (OrgL) unterstützt den LNA und ist insbesondere für den reibungslosen organisatorischen Ablauf der Maßnahmen verantwortlich. So müssen z.B. der Aufbau der Behandlungsstrukturen, der Abtransport in die Zielkliniken sowie die Kommunikation mit der Rettungsleitstelle und den übrigen Kräften zentral koordiniert und gesteuert werden.

LNA und OrgL RD werden immer gemeinsam eingesetzt. Der ersteintreffende Notarzt über­nimmt die Aufgaben des LNA bis zu dessen Eintreffen, der ersteintreffende Rettungs­assistent über­nimmt die Aufgaben des OrgL RD bis zu dessen Eintreffen. Beide haben für ihren jeweiligen Aufgabenbereich Weisungsrecht gegenüber den rettungs- und sanitätsdienstlichen Einsatz­kräften.

Im Saarland bestehen zwei LNA-Systeme (seit 1995) und drei OrgL-Systeme (seit 2006) mit regionalen Zuständigkeitsgebieten. LNA und OrgL werden von den Beauftragten vorgeschlagen und nach Abstimmung mit dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bzw. der Ärztekammer durch den ZRF Saar für den Zeitraum von drei Jahren berufen.

Einsatzkriterien

  • Schadenslagen mit > 10 Verletzten bzw. Erkrankten, z.B.
  • Verkehrsunfall mit Bus
  • Zugunglück
  • Massenvergiftung
  • Flugzeugabsturz
  • Brand im Mehrfamilienhaus
  • Anforderung von Einsatzkräften vor Ort
  • Schadenslagen, bei denen 5 oder mehr arztbesetzte Rettungsmittel im Einsatz sind
  • Vorsorglich in allen Notfällen, bei denen der Schadensart nach mit der gesundheitlichen Gefährdung einer größeren Personenanzahl gerechnet werden kann, z.B. Geiselnahme, Giftgasalarm

Leitender Notarzt (LNA)

Leitender Notarzt (LNA)

Der Leitende Notarzt ist Teil der Einsatzleitung Rettungsdienst und verfügt zum schnellen Erreichen der Einsatzstelle über einen entsprechenden PKW.

Dem Leitenden Notarzt  fällt in erster Linie die Aufgabe zu, die Verletzten zu triagieren, d.h. Verletzungsschwere und –umfang festzustellen und die Versorgung nach Dringlichkeit zu ordnen. Darüber hinaus trägt er aus medizinischer Sicht die Verantwortung für den medizinischen Teil des Einsatzes.

Die Leitenden Notärzte werden aus den Reihen der Notärzte durch die Kliniken im saarländischen Notarztdienst vorgeschlagen und nach Abstimmung mit dem Ärztlichen Leiter Rettungsdienst bzw. der Ärztekammer durch den ZRF Saar für den Zeitraum von drei Jahren berufen.

Insgesamt zwei LNA-Systeme werden zeitgleich dienstbereit vorgehalten. Sie teilen sich das Saarland in die beiden Bereiche LNA Saarland West (Regionalverband Saarbrücken, Landkreis Merzig-Wadern) und  LNA Saarland Ost (Landkreise St. Wendel, Neunkirchen und Saarpfalz-Kreis) auf. Damit kann zusammen mit den drei OrgL-Systemen bei Alarmierung zeitnah reagiert und der Schadensort angefahren werden.

Den LNA stehen 2 Einsatzfahrzeuge mit entsprechender Ausstattung zur Verfügung.
 

Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL)

Organisatorischer Leiter Rettungsdienst (OrgL)

Ebenso wie der LNA ist auch der Organisatorische Leiter Rettungsdienst Teil der Einsatzleitung Rettungsdienst. Er verfügt über ein Fahrzeug mit Ausstattung für die Führung des Rettungsdiensteinsatzes.

Der Organisatorische Leiter, ein erfahrener, speziell ausgebildeter Rettungsassistent, legt seinen Schwerpunkt auf die organisatorisch-taktische Beurteilung und unterstützt den LNA im Bereich Logistik und Kommunikation.

Im Zuge der Einführung einer landesweiten Einsatzleitung Rettungsdienst wurden  in enger Abstimmung mit den am Rettungsdienst beteiligten Hilfsorganisationen ASB, DRK, MHD und den Feuerwehren Saarbrücken und Neunkirchen 36 Mitarbeiter des Rettungsdienstes als ORGL ausgewählt.

Insgesamt drei OrgL-Systeme werden zeitgleich dienstbereit vorgehalten. Sie teilen sich das Saarland in die drei Bereiche OrgL Saarland West (Landkreise Merzig-Wadern und Saarlouis), Ost (Landkreise St. Wendel, Neunkirchen und Saarpfalz-Kreis) und Mitte (Regionalverband Saarbrücken) auf. Damit kann zusammen mit den beiden LNA-Systemen bei Alarmierung zeitnah reagiert und der Schadensort angefahren werden.

Den OrgL stehen 3 Einsatzfahrzeuge auf Basis eines Ford Kuga mit einer umfangreichen, fachbezogenen Warn- und Kommunikationsausstattung zur Verfügung.
 

Patientensichtung und Registrierung

Patientensichtung im MANV

Um eine strukturierte Versorgung und Behandlung der Patienten, auch unter den denkbar schlechten Bedingungen bei einem Großschadensereignis sicherzustellen, ist es notwendig, diese zunächst in verschiedene Verletzungskategorien einzuordnen. Gemäß dieser Zuordnung erfolgt ein sofortiger Transport, eine umgehende Behandlung oder eine spätere Versorgung. Die Sichtungskategorie SK1 (rot) umfasst Schwerverletzte mit lebensbedrohlichen Verletzungen, die sofort behandelt werden müssen, Sichtungskategorie SK2 (gelb) Schwerverletzte, deren Versorgung etwas Zeit hat und Sichtungskategorie SK3 (grün) Leichtverletzte, deren Versorgung zunächst hinter der Schwerverletztenversorgung etwas zurückstehen muss.

Mit der Rettungsdienstfortbildung 2016 wurde im saarländischen Rettungsdienst das Prinzip der nichtärztlichen Vorsichtung eingeführt. Dies bedeutete, dass noch vor dem Eintreffen eines Notarztes das Rettungsdienstpersonal mit der Priorisierung der Patienten beginnt, um so eine möglichst optimale Versorgung zu ermöglichen. Zum Einsatz kommt hierbei eine auf den saarländischen Rettungsdienst adaptierte Version des kürzlich von der Deutschen Gesellschaft für Katastrophenmedizin (DGKM) und dem Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) entwickelten PRIOR ®. Das Ergebnis dieser Vorsichtung wird durch farbige Armbänder gekennzeichnet.

Im weiteren Verlauf eines Einsatzes erfolgt dann eine ärztliche Sichtung aller Patienten, deren Ergebnis sowie alle weiteren Eckdaten - wie Name, Alter und Verletzungen - auf einer Patientenanhängekarte vermerkt werden.

Nach Sichtung werden die Verletzten je nach medizinischer Notwendigkeit entweder zügig in ein Krankenhaus transportiert oder vor Ort an einem Behandlungsplatz (Zelt oder Gebäude) entsprechend ihrer Verletzungsschwere versorgt. Hierbei stehen für Schwerverletzte Intensivversorgungskapazitäten auch vor Ort zur Verfügung. Zu diesem Zweck werden seitens des ZRF spezielle Materialeinheiten (GW Rett) vorgehalten und weitere Einsatzkräfte und Materialreserven der Hilfsorganisationen eingebunden.

Download: Vorinfo Sichtung V2

Patientenanhängekarte

Der saarländische Rettungsdienst verwendet bei einem MANV einheitlich die Patientenanhängekarten des DRK (02/2006). Damit dieses wichtige Instrument in vollem Umgang genutzt werden kann, wird in Lehrgängen der Umgang mit den Patienten­anhängekarten (PAK) geschult.

Die PAK besteht aus einem beschreibbaren Feld auf der Vorder- und Rückseite, einer Tasche mit farbiger Einsteckkarte im unteren Teil sowie einer großen Tasche im Inneren zwischen den Schriftfeldern. In dieser inneren Tasche befinden sich die Suchdienstkarte und können weitere Unterlagen ggf. eingesteckt werden.

Behandlungsplatz und Gerätewagen Rettungsdienst

Behandlungsplatz und Gerätewagen Rettungsdienst

An strategisch günstigen Rettungswachen im Saarland wurden in den Jahren 2008 und 2009 insgesamt vier „Gerätewagen-Rettungsdienst“ stationiert. Die Fahrzeuge verfügen über eine technische und medizinische Beladung, die es ermöglicht, innerhalb kurzer Zeit einen Behandlungsplatz für bis zu 25 Verletzte (BHP 25) in unmittelbarer Nähe der Schadensörtlichkeit zu errichten und zu betreiben. Ergänzt wird das Konzept von einem bereits vorhandenen Abrollbehälter „AB-MANV“ (BHP 50), der bei der Berufsfeuerwehr Saarbrücken stationiert ist und zentral von der Landeshauptstadt aus im ganzen Saarland eingesetzt werden kann. Alarmiert werden die „GW-Rettungsdienst“ durch die Integrierte Leitstelle des Saarlandes über Funkmeldeempfänger.

Ein solcher Behandlungsplatz ermöglicht es, Patienten zunächst vor Ort adäquat zu behandeln und so einen Puffer aufzubauen, bis die Patienten schließlich in einer nach Verletzungsschwere festgelegten Reihenfolge in die umliegenden Krankenhäuser transportiert werden können.

Unter anderem können mit der Beladung eines GW-Rettungsdienst insgesamt vier komplette Intensivbehandlungsplätze aufgebaut werden. Dazu gehören jeweils ein EKG/Defi, ein Beatmungsgerät sowie eine Absaugpumpe. Zur umfangreichen notfallmedizinischen Ausrüstung gehören diverse Notfallmedikamente, Infusionen, Material für die Behandlung von Verbrennungen, Verband-, Hygiene-, Büro-, Registrierungs- und Ersatzmaterial.

Außerdem stehen für den Ersteinsatz am Unfallort insgesamt acht Notfallrucksäcke für die schnelle Patientenversorgung im unmittelbaren Schadensraum, zwei Notfallrucksäcke für akute Situationen im Triagebereich sowie ein Kindernotfallrucksack zur Verfügung. Für den kompletten Aufbau des Verbandplatzes sind in jedem Gerätewagen drei Schnelleinsatzzelte, ein Stromaggregat und Beleuchtungs- sowie technisches Material verlastet. Die „GW-Rettungsdienst“ sind auf den DRK-Rettungswachen in Merzig, Dillingen, Homburg und St. Wendel stationiert.
 

Kennzeichnung der Einsatzkräfte

Kennzeichnung der Einsatzkräfte

Bei einem Großschadensereignis werden an der Einsatzstelle eine Vielzahl unterschiedlichster Hilfsdienste aktiv. Hierbei ist es unumgänglich, insbesondere die Führungskräfte besonders zu kennzeichnen. Obwohl bundesweit nicht einheitlich geregelt, hat sich dennoch mittlerweile ein System verschiedenfarbiger Überwurfwesten etabliert, um Führungskräfte oder Helfer mit besonderen Funktionen an der Einsatzstelle unverkennbar zu kennzeichnen. Als Alternativen werden auch farblich gestaltete Einsatzjacken oder Schulterkoller verwendet.

Im Saarland regelt ein Erlass des Innenministeriums aus dem Jahr 2020 die Farbgebung und Zuordnung zu bestimmten Funktionen innerhalb der unterschiedlichen Hilfsdienste.

Entsprechend dieser Verordnung tragen die Abschnittsleiter der jeweiligen Fachrichtung, z.B. des Rettungsdienstes, weiße Überwurfwesten. In den Hierarchieebenen darunter folgen die Farbkennzeichnungen rot und blau. Pressebeauftragte der Organisationen tragen grüne Kennzeichnungswesten, während sich für die Notfallseelsorge die Farbe Lila etabliert hat.

Zusätzlich zu den Kenn­zeich­nungs­westen, welche die Funktion innerhalb der Führungsstruktur anzeigen (siehe oben), tragen die Einsatzkräfte des Ret­tungs­dienstes bei Einsätzen, bei denen mehr als drei Fahrzeuge gemeinsam im Ein­satz sind, Überwurfwesten in leuchtrot, die die Zuordnung erleichtern sollen.
 

Übungen im Rettungsdienst

Übungen im Rettungsdienst

Ein Massenanfall von Verletzten (MANV) stellt glücklicherweise eher eine Ausnahme im Alltag des Rettungsdienstes dar. Um dennoch in einer solchen Situation sicher und routiniert handeln zu können, bedarf es entsprechender Übungen für alle beteiligten Einsatzkräfte.

Solche Übungen finden unregelmäßig in allen Bereichen des Saarlandes und in enger Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie den Feuerwehren, der Polizei oder den Hilfsorganisationen statt.

Berichte zu einzelnen Übung können Sie immer wieder im Bereich Aktuelles finden.
 

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